Mailand / Frankfurt 1970 / 2020

Vier Vorträge aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Mailand und Frankfurt (1970/2020)

In Zusammenarbeit mit der Stadt Frankfurt
Unter der Schirmherrschaft des Italienischen Generalkonsulats in Frankfurt
In Kooperation mit der Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien - Italienstiftung

• Donnerstag, 27. Februar 2020, 18 Uhr
Prof.Dr. Jutta Toelle
(Gustav-Mahler-Privatuniversität, Klagenfurt)
„Stadt der Oper, Oper der Stadt: La Scala di Milano“
(Ort: Römerhallen, Römerberg 23, Frankfurt)

Das Teatro alla Scala in Mailand ist eines der berühmtesten Theater Europas und ein Symbol der Stadt. 1778 unter der Herrschaft der Habsburger eingeweiht, erlebte „die Scala“ im 19. Jahrhundert eine Blütezeit mit zahlreichen Uraufführungen, u.a. auch der Kaiserhymne im Jahr 1838 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph. Der Vortrag veranschaulicht die historischen Gründe für die besondere Bedeutung des Theaters und zeigt, wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Mythos der Scala durch Reisende und Künstler wie Stendhal und Franz Liszt in andere europäische Länder getragen wurde und wie das Opernhaus ab 1848 zu einem Ort der nationalen Identifikation wurde. Musikalische Größen von Paganini bis Verdi prägten die Scala, aber auch große Dirigenten wie der berühmte Arturo Toscanini, der ihm zu europäischer Anerkennung verhalf. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude durch die alliierten Bombardierungen schwer beschädigt, doch „wie es war und wo es war" wieder aufgebaut und schon 1946 eröffnet. Beim Blick auf die Karte von Mailand zeigt sich, dass das architektonische Herz der Stadt bis heute aus drei Gebäuden besteht: der Galleria Vittorio Emanuele, dem Dom und dem Teatro alla Scala.
Prof.Dr. Jutta Toelle, Musikwissenschaftlerin und Historikerin, hat sich in ihrem Buch „Bühne der Stadt: Mailand und das Teatro alla Scala zwischen Risorgimento und Fin de Siècle" (2009) intensiv mit der Geschichte der Sc ala befasst, in jüngster Zeit widmet sie sich u.a. der Publikums- und Applausforschung.

• Donnerstag, 23. April 2020, 20 Uhr - Termin verschoben!
Prof. Dr. David Nelting
(Universität Bochum)
„Historiographie, Fiktion und Botschaft in Alessandro Manzonis I Promessi Sposi“
(Ort: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V., Arndtstraße 12, Frankfurt)

„I Promessi Sposi“ (Die Verlobten) von Alessandro Manzoni gehören zu den meistgelesenen Werken der italienischen Literatur. Manzonis Werk ist berühmt und vielgelesen, aber bei näherer Betrachtung ein durchaus schwieriger Roman. Der Text wird gemeinhin als 'historischer Roman' verstanden, aber Manzoni selbst stand dieser Gattung überaus skeptisch gegenüber und hat auf zwei wesentliche Merkmale des historischen Romans à la Walter Scott verzichtet: auf die organische Durchdringung von Fiktion und Historie und auf den 'mittleren Helden'. Mit der Trennung fiktionaler Erzählanteile von historischen Berichten gelingt es ihm, die Objektivität der Befunde nicht durch Unschärfen fiktionalen Erzählens zu beeinträchtigen. Manzonis Verzicht auf den 'mittleren Helden' geht mit einer Ironisierung der beiden Hauptfiguren Renzo und Lucia einher. Dadurch kommt es zu einer Infragestellung der am Ende des Romans scheinbar stabilen Botschaft: nämlich jenes Gottvertrauens, welches Renzo und Lucia und auch der Erzähler als den "sugo" der Geschichte ausgeben. Die dem Roman vielfach unterstellte scheinbar einfache katholische Botschaft ist daher zu relativieren. Von Belang erscheint hier v.a. Manzonis Figur des Kardinals Federico Borromeo, der die fiktionalen und historiographischen Teile verbindet und so eine übergeordnete Botschaft zu vermitteln scheint.
Prof.Dr. David Nelting lehrt Romanische Philologie an der Universität Bochum, seine Forschungsschwerpunkte sind die Literatur der Frühen Neuzeit, Barocklyrik und der realistische Roman des 19. und 20. Jahrhunderts.

• Donnerstag, 24. September 2020, 19.30 Uhr
Dr. Richard Erkens
(Deutsches Historisches Institut in Rom)
"Mehr Opern für Mailand, oder: Konkurrenz für die Scala? Spuren zum ›vergessenen‹ Teatro Dal Verme (1872-1930)"
(Ort: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V., Arndtstraße 12, Frankfurt)

Thema des Vortrags ist das 1872 eröffnete Teatro Dal Verme, das bis 1930 ein reines Operntheater war, bevor es in ein Kino umgewandelt wurde. Als konkurrierende Spielstätte zum Teatro alla Scala und für breitere Publikumsschichten der prosperierenden Metropole konzipiert, beherbergte es eine beeindruckende Anzahl von Uraufführungen, etwa Le Villi des jungen Giacomo Puccini, Pagliacci von Ruggero Leoncavallo und andere wichtige nationale Erstaufführungen, darunter Werke von Michail Glinka. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts öffnete sich das Teatro Dal Verme auch für die Experimente der Futuristen und wurde zum Bezugspunkt für das moderne Mailand. Die Bombardierungen im Jahr 1943 zerstörten das Innere des Baus. Doch nach der 1946 erfolgten Restaurierung konnte sich das bis heute markante Haus am Foro Buonaparte als vielseitiger Veranstaltungsort etablieren, als Kino und Kongresszentrum sowie als auch als Redaktionssitz für Musikzeitschriften. Seiner opernhistorischen Bedeutung von damals möchte der Vortrag nachspüren.
Dr. Richard Erkens, Musikwissenschaftler mit Schwerpunkt Musikgeschichte, verfügt über viel Erfahrung mit der italienischen Oper, 2011 erschien seine Monographie mit dem Titel "Alberto Franchetti - Werkstudien zur italienischen Oper der langen Jahrhundertwende", 2017 gab er das bedeutende "Puccini-Handbuch" heraus, das in Fachkreisen sehr beachtet wurde.

• Donnerstag, 29. Oktober 2020, 19.30 Uhr
Prof.Dr. Martha Kleinhans
(Universität Würzburg)
„Pastrufazio - Zur literarischen Modellierung Mailands bei Carlo Emilio Gadda“
(Ort: Deutsch-Italienische Vereinigung e.V., Arndtstraße 12, Frankfurt)

Der Vortrag möchte an einigen Beispielen zeigen, wie Carlo Emilio Gadda (Mailand 1893- Rom 1973), einer der bedeutendsten italienischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, in seinem Werk auf höchst unterschiedliche, oft satirische Weise Ereignisse, Orte und Institutionen der Stadt Mailand literarisch modellierte. Das Projekt eines großen Mailandromans konnte der Elektroingenieur mit philosophischen Neigungen zwar nicht realisieren, doch setzte er sich in Erzählungen (vor allem Adalgisa – Disegni milanesi), Reportagen (z.B. über den Mailänder Schlachthof) und Essays über viele Jahre immer wieder mit seiner Geburtsstadt auseinander. In seinem Roman La Cognizione del Dolore (1963; 1970), dessen Handlung in ein südamerikanisches imaginäres Land verlegt ist, taucht Mailand chiffriert als „Pastrufazio“ auf. Kompliziert wie die Entstehungs- und Publikationsgeschichte sind auch die Texte des umfassend gebildeten Sprachkünstlers Gadda, der nicht nur den lombardischen Dialekt, sondern auch zahlreiche weitere Varietäten des Italienischen in sein Schreiben einbaute. Sein bekanntester Roman Quer pasticciaccio brutto de via Merulana („Die grässliche Bescherung in der via Merulana“ (1946; 1957) ist in Rom zur Zeit des Faschismus angesiedelt und enthält, getarnt als Kriminalgeschichte, eine verborgene Kritik am Regime.
Prof. Dr. Martha Kleinhans ist eine ausgewiesene Kennerin des Werks von Gadda, 2005 erschien ihre Monographie Satura und pasticcio: Formen und Funktionen der Bildlichkeit im Werk C. E. Gaddas. In jüngster Zeit widmete sie sich auch der transkulturellen italienischsprachigen Literatur, 2013 erschien der Sammelband Transkulturelle italophone Literatur (hrsg. zusammen mit Richard Schwaderer).